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About the artist

 

Ausstellung „Bruno Obermann - Kopfsachen“

 

Villa Meixner, Brühl-Baden, 24.07.2022 - 21.08.2022


Einführung: Dr. Helmut Orpel, Mannheim (Auszug)

 

Bruno Obermann in der Villa Meixner!

 

Wir können hoffen, dass es weitergeht mit der Kunst im realen Raum. Kunst findet endlich wieder als unmittelbaren Begegnung mit dem Werk statt. Und das ist, besonders bei dem Künstler, um den es heute geht, die Voraussetzung, jene Kunst tatsächlich zu erleben. Im digitalen Format wäre sie lediglich auf die eine Dimension ihrer Existenz beschränkt, nämlich auf die visuelle Erscheinung, und somit wäre ihre Betrachtung wie die der Schatten in Platos Höhlengleichnis. Das Eigentliche bliebe uns verborgen.

Am Beispiel der Werke Obermanns können Sie gut nachvollziehen, was das Besondere an der Kunst der Nachkriegszeit ausmacht. Mit der Ausbreitung der elektronischen Medien als Bildlieferanten stand die bildende Kunst spätestens in der Nachkriegszeit wieder einmal unter dem Zwang, sich neu erfinden zu müssen. Der narrative Aspekt war obsolet geworden. Das konnten Fotografie und Film viel besser. Dies war die Geburtsstunde des Informel und vieler anderer neue Richtungen, bei denen es nicht um die Abbildung im engeren Sinne ging, sondern um die Malerei auch und vor allem als ein materielles Erlebnis. Somit lassen sich solche Bilder nicht mehr auf ihren Abbildcharakter reduzieren. Der Originalcharakter bleibt nur dann erhalten, wenn auch die anderen Bestandteile ebenso wirkungsmächtig in den Gesamteindruck eingehen. Diese oft unbewusst wahrgenommenen Ebenen sind Textur, Materialität, Stofflichkeit, Sinnlichkeit und Aura. In dieser Tradition steht die Malerei von Bruno Obermann.

Seine Bilder leben durch deren Materialität: Farbe in Mischtechnik und Leinwand, bzw. Papier in den oberen Räumen dieser Galerie, beeinflussen die Ausdruckskraft dieser Arbeiten ebenso wie deren Tonalität. Die Farbe muss bei Obermann ein dynamisches Eigenleben entwickeln können. Er kann sie in feinen Schichten lasierend auftragen, aber auch pastos, reliefartig modellieren. Darüber hinaus ist es möglich, sie so zu verdünnen, dass sie wie Aquarellfarbe wirkt.

All dies können Sie hier in der Ausstellung an den ausgestellten Werken nachvollziehen und dabei auch erfahren, welche spannenden Wechselwirkungen entstehen, wenn nicht nur unterschiedliche Farbtöne, sondern auch all diese Arten des Farbauftrags in einem Bild aufeinandertreffen. Das Kunstwerk erscheint hier nicht als ein Abschluss, sondern gewissermaßen als Momentaufnahmen des Malprozesses in seinem dynamischen Verlauf.

Der Schöpfer dieser Werke, Bruno Obermann, lebt in Netphen, einem Ort im Siegerland. Seit fast 40 Jahren stellt er seine Werke öffentlich aus. Neben Galerien in Düsseldorf und Köln waren Arbeiten von ihm in den Niederlanden, in Frankreich, Polen und in Palma de Mallorca zu sehen. Auch in unserer Region konnte man ihm schon begegnen, so im Club Art in Mannheim.

Obermann ist Autodidakt und hat sich vor allem durch die Auseinandersetzung mit den Meistern seines Fachs weiterentwickelt. Über Jahrzehnte hinweg lässt sich die Entwicklung seines Werkes kontinuierlich nachverfolgen. Ausgangspunkte war der Impressionismus. Später entdeckte er Picasso und die amerikanischen abstrakten Expressionisten. Vor allem sind es aber die Bilder der Künstlergruppe CoBrA, die sein Werk nachhaltig beeinflussen. CoBrA machte in der unmittelbaren Nachkriegszeit von sich reden. Hier war es nicht das gegenstandslose Informel, sondern nach wie vor die Figuration. Allerdings war die Figur gebrochen, fragmentarisch, deformiert und widerspiegelte so die Existenz des Menschen in der vom Krieg geprägten Generation. Der Name leitet sich von den Herkunftsorten der Gruppengründer, Copenhagen, Brüssel und Amsterdam, ab. Ihr gehörten unter anderem Asger Jorn, Corneille, Constant und Karel Appel an. Malerei, so wird deutlich, ist für Bruno Obermann Berufung nicht Beruf.

Das bemerkt man an der Freiheit, die er sich nimmt, nicht auf Vermarktungsaspekte zu achten, sondern einem unabhängigen Konzept zu folgen. Dabei lassen sich bestimmte Wesensmerkmale erkennen, die sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Schaffen ziehen. Obermanns Kunst bewegt sich in einem Feld zwischen Figuration und Informel. Auf den ersten Eindruck wirken diese Arbeiten figurativ. In vielen meint man Köpfe zu erkennen. Der Kopf ist für ihn wie eine Metapher, ein Spiegelbild. Aber der Kopf im Werk von Obermann existiert gleichsam in Innen und in Außensicht. Er ist Form, in sich abgeschlossen. Gleichzeitig aber auch Unform, offen. Ort der Gedanken, Träume, Fantasien, denn bei näherer Betrachtung scheinen sich diese Figuren in Landschaften aufzulösen. Bildräume entstehen, die sich in die Tiefe hinein fortentwickeln, wenn man sich die Zeit nimmt, das Dargebotene etwas genauer zu betrachten. Und diese Erfahrung der unterschiedlichen Betrachtungsweisen geht es.

Nahsicht und Fernsicht sind hier ineinander verwoben sind, wie bei Vexierbildern, die je nach Lichteinfall oder Blickwinkel ihre Ausdruckskraft verändern. Jedes der Bilder von Obermann ist ein Konglomerat von vielen Bildern, oder besser, von vielen Bildangeboten an den Betrachter. Bewegung im Bild darzustellen, ist Obermann erklärtermaßen ein Anliegen. Konkret bedeutet dies die Auflösung der Statik, wie sie einer allzu klar definierten Zeichnung von Natur aus anhaftet. Insofern dominiert bei Obermanns Malerei das Kolorit, das freie Spiel der Kräfte, das sich aus der Wechselbeziehung von Farbe, stoffliche Substanz und Form ergibt. Die Malerei entwickelt sich sowohl in der Fläche als auch aus der Tiefe heraus. Was sich dem ersten Blick offenbart, erscheint dabei als die Spitze des Eisbergs. Lasierend aufgetragene Farbschichten überlagern sich, allerdings oft nicht deckungsgleich wie bei den alten Meistern. Bewusst werden Partien offengelassen.

Auch malt der Maler nicht auf traditionelle Weise vor der Staffelei. Er legt sie flacht auf den Boden, um so auch den Fluss der Farbe besser beeinflussen zu können. Obermann bedient sich nicht nur der herkömmlichen Werkzeuge wie dem Pinsel, sondern auch ungewöhnlicher Verfahren, wie der Décalcomanie. Dies ist eine von Max Ernst entwickelte Technik des Klatschdrucks, bei der es nicht darum geht, ein Motiv abzudrucken, sondern Farbstrukturen auf die Malfläche zu übertragen, die dann in den weiteren Malprozess integriert werden.

Wesentlich ist auch die Feststellung, dass Obermanns Bilder nicht in einem Zug durchgemalt sind, sondern immer wieder Unterbrechungen und Reflexionsphasen durchlaufen, in denen sie Veränderungen erfahren. Dadurch wird der prozesshafte Charakter jener Werke konstituiert: Bilder erscheinen hier gewissermaßen wie Augenblicksaufnahmen des Malvorgangs und stehen im Spannungsverhältnis zwischen Werden und Vergehen. Mit seinen Arbeiten huldigt Obermann einer Ästhetik der Metamorphosen.

Dr. Helmut Orpel, Januar 2022